Gepfeilte Flügel an DLG-Modellen? Wozu denn das?

Die ersten Überlegungen zum Pendeln eines DLG’s nach dem Freigeben stammen aus dem Jahr 2003. Christoph Bolatzki, Bruno Sigrist, Reinhard Kaufmann, Florian Seibel und Michael Wohlfahrt gingen das Pendelproblem von verschiedenen Seiten an: Elementare geometrische Überlegungen, Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras und Berechnungen führten alle zum gleichen Ergebnis: Der Wurfstift muss nach hinten! Um dies zu erreichen, wird der Flügel gepfeilt. Die weitgehendste Analyse findet sich in der Diplomarbeit von Florian Seibel ("Konstruktion, Berechnung und Bau eines Flugmodells zur Untersuchung der Pendelbewegung"). Sie enthält eine Computersimulationen des gesamten Pendelvorgangs.

Was bewirkt nun diese Wurfstiftrücklage? Vereinfacht gesagt ist der Schiebewinkel des Modells direkt nach der Freigabe abhängig von der Position des Wurfstiftes, so dass die unvermeidliche Pendelbewegung aus günstigerer Ausgangssituation (siehe Abbildung 1) erfolgt.

Abbildung 1: Kräfte, Hebel und Winkel bei der Freigabe eines DLG

Betrachten wir zum tieferen Verständnis anhand von Abbildung 2 die beiden folgenden Modelle:

1) Damit Modell 1 die Hand des Werfers mit 0° Schiebewinkel verlässt, ist eine Vorlage des Wurfstiftes von 3cm vor dem Schwerpunkt erforderlich. Auf den ersten Blick scheint dies ideal. Es entspricht etwa einem Flügel mit gerader t/4-Linie.

2) Vergleicht man dies mit Modell 2 mit einer Stiftrücklage von 10cm, so beginnt der Steigflug hier mit einem 10° Schieben (Nase rechts).

Abbildung 2: Anströmwinkel beim DLG bei der Freigabe

Dazu kommt aber noch folgendes: In beiden Fällen ist der Drehimpuls des Modells aufgrund der Drehung um den Piloten gleich groß. Diese Drehung beider Modelle um seine Hochachse nach links bewirkt eine zusätzliche Anströmung des Seitenleitwerks mit 32° von rechts! Der Gesamtanstellwinkel des Seitenleitwerks ergibt sich aus Schiebewinkels plus der Anströmung durch die Drehbewegung. Bei Modell 1 bedeutet dies einen Anstellwinkel des Seitenruders von 0°+ 32°=32° gegenüber -10°+32°= 22° bei Modell 2.

Dass ein Seitenruder bei 32° Anströmung völlig abgelöst ist, weniger Auftrieb liefert und einen höheren Widerstand erzeugt als das gleiche Seitenruder bei 22° ist offensichtlich.
Sicher ist auch das noch zuviel, aber die Ausgangssituation ist bei Stiftrücklage weniger kritisch: Das Seitenleitwerk ist länger  im normalen Anstellwinkelbereich und dämpft das Pendeln daher früher und stärker. Ohne Stiftrücklage sind die abnormalen Anstellwinkel größer und sie dauern länger an.

Beide Modelle sind nun freigegeben und die mit dem Steigflug gekoppelte Gierschwingung beginnt. Abbildung 3 zeigt den mit dem Simulationsprogramm ermittelten Pendelausschlag des Modells um die Hochachse für 3 verschiedene Fälle:

Abbildung 3: Einfluss der Stiftrücklage auf das Pendeln

Beträgt die Rücklage 0 cm (ungepfeilter Flügel), so wird ein maximaler Schiebewinkel von 38° erreicht. Im Vergleich dazu bewirkt eine 10cm Rücklage beim großen Seitenleitwerk einen Rückgang des Maximums auf 24°. Hinzu kommt die schnellere Dämpfung. Steigeisen verliert also anschaulich gesprochen beim Abwurf nicht soviel Energie wie das Vergleichsmodell ohne Stiftrücklage und steigt deshalb höher.
Ganz anschaulich wird dies, wenn man die Tipps aus der Praxis mit unseren Ergebnissen vergleicht. Immer wieder hört man den Satz: "Lass den Arm hinten beim Wurf". Und dies aus gutem Grund. Genau damit versucht man einen Abwurf mit dem Heck nach links schiebend zu erreichen. Die Wurfhöhe wird besser. Das Gegenteil passiert beim sog. Verreißen des Modells. Zu langes Festhalten führt zu beängstigenden Schiebewinkeln und niedrigen Wurfhöhen (entspricht Wurfstift vorne). Steigeisen hat "den Arm hinten lassen" schon eingebaut. Ein Verreißen des Modells passiert beim Steigeisen also nicht so schnell. Wichtig ist dies für konstant hohe Würfe, gerade in der Hektik eines Wettbewerbes oder beim DLG Neuling. Dies wird von allen Piloten, die den Kohlibri geworfen haben, bestätigt.